Mein letztes Shooting
Zugegeben. Der Titel klingt etwas dramatisch. Aber ich will versuchen es zu erklären.
Hin und wieder gebe ich Workshops oder begleite eine Fotografin, einen Fotografen im Mentoring. Dabei geht es fast nie um Technik. Nicht um Kameras, Objektive oder anderen Nerd Talk. Sondern um die Frage: Warum fotografierst du eigentlich?
Ich erzähle dann von meiner eigenen Fotografie, nicht als Referrenz für´s „richtig machen“, sondern als Beispiel. Und stelle Fragen:
Was möchtest du mitteilen?
Wenn deine Session ein Film wäre – welche Szenen wären die Schlüsselmomente, und was ließe sich herausschneiden?
Wie drückst du dich in deinen Bildern aus?
Und was sollen die Menschen über dich denken, wenn sie deine Fotografie sehen?
Sag nicht, es sei dir egal.
Ich sehe in solchen Gesprächen oft, wie schwer diese Fragen sind. Man spürt das Zögern, das Suchen nach Worten. Selbst in Gruppen, wenn 6-8 Menschen um mich herumsitzen. Es erinnert mich an Training. Ein Coach kann dir zeigen, wie du Gewichte hebst und dir Übungen vorgeben. Aber wenn du deine Einstellung nicht änderst, bleibst du stehen. Mit den alten Bewegungen kommst du nicht weiter. Irgendwann musst du etwas ablegen oder ändern, wenn du stärker werden willst. In Einzelcoachings bin ich ein verständnisvoller aber sehr ehrlicher Sparringspartner.
Neulich hatte ich eine Fotografin an diesem Punkt. Saubere, klare Bilder, technisch gut. Aber sie spürte, dass es ihr nicht reicht. Sie wollte, dass ihre Bilder intensver sind, emotionaler, erzählerischer. Also fragte ich:
„Was suchst du eigentlich in den Menschen, die du fotografierst?“
Sie schaute mich an, überlegte und ich musste an mich selbst denken.
An mein letztes Shooting.
Das Studio war schon leer, die Musik lief noch. Ich trank von meinem Kaffee, der längst kalt war. Die Kamera lag auf meinem Schoß. Ich klickte durch die Bilder. Da waren Augen, die glänzten. Ein Lächeln, ein Hauch Sinnlichkeit. Übersteigert, fast gespielt. Aber im Bild wirkt es echt.
Ein Körper der sich bewegt, Eine Bluse. Ein Body. Zutaten für ein schönes Foto.
Aber war es wirklich ein Portrait? Oder nur eine Inszenierung?
Früher wollte ich Geschichten erzählen. Heute merke ich manchmal: meine Bilder erzählen eher meine Geschichte als die der Menschen vor meiner Kamera. Und genau da beginnt Veränderung. Still, ohne Knall, oft ganz unmerklich. Man muss einfach „hinsehen“.
Ich dachte an ein Gespräch von neulich. Jemand sagte mir: „Man sieht deinen Bildern die Veränderung gar nicht an“Und er verglich es mit Autos. Elektro oder Benziner – von außen kaum ein Unterschied. Dieser Vergleich war banal, aber er blieb hängen.
Vielleicht ist es in der Fotografie genauso. Manche fangen frei an, ohne Erbe, ohne Verpflichtungen. Start-ups können dort einsteigen, wo sie wollen. Große Marken dagegen müssen umdenken, loslassen, Systeme neu bauen. Ein Re-Start ist nicht immer möglich.
Mit Paulina 2024
Ich denke auch an Filmemacher. Manche haben ein Gerüst, eine Arbeitsweise, ein Studio mit großen Erwartungen und Vorgaben im Rücken. Sie setzen auf wenige dicke Kartenstapel – und merken irgendwann, dass ihnen kleine, spezialisierte Studios den Rang ablaufen. Einfach weil sie dort anfangen können, wo sie möchten. Weil sie nichts loslassen müssen, was ihnen etwas bedeutet.
Mir geht es nicht um den Verlust von etwas, das ich hatte.
Sondern um den Verlust von etwas, das ich nie bekommen würde, wenn ich nicht aufhöre, bestimmte Dinge weiterzutun.
Jemanden abbilden – das sollte man wörtlich nehmen. Nicht schöner machen, nicht glatter. Sondern sichtbar machen, wer er ist. Mit allem, was dazugehört: Freude, Angst, Verlust, Eigenheiten. Angenehm oder nicht. Darum geht es mir. Nicht um die perfekte Pose, sondern ums Dabeisein. Zusammen zu sein. Von Mensch zu Mensch.
Ich sah auf die Kamera. Und irgendwo zwischen Ausschalten und einpacken wusste ich: Das war mein letztes Shooting dieser Art.
Nicht als Ende. Eher als Anfang.