Über das Unterwegssein in der Fotografie
Die Welt der Fotografie ist riesig.
Und obwohl ich mich seit Jahren in ihr bewege, weiß ich, dass ich sie nie vollständig bereisen werde. Es ist zu viel, zu weit, zu vielfältig – ein Universum aus Formen, Farben, Momenten und Bedeutungen.
Ich meine nicht das Reisen mit Koffern und Flugtickets, sondern das reisen in der Fotografie. Die Bewegung durch die unterschiedlichen Ausdrucksformen, Genres und Perspektiven der Fotografie. Es gibt Natur- und Landschaftsfotografie, Architektur, Straßen- und Modefotografie. Bilder vom Glück, von flüchtigen Momenten. Und solche vom Leid, vom Stillstand, von Dingen, die bleiben.
Jedes dieser Felder fühlt sich an wie ein eigener Kontinent. Manche sind klar voneinander abgegrenzt, mit eigenen Regeln, Stilen und Kulturen. Andere gehen sanft ineinander über. Und innerhalb dieser Kontinente gibt es Länder, Städte, Orte – fotografische Räume, die Menschen auf unterschiedliche Weise prägen und anziehen.
Mein Zuhause liegt im Land der Porträts.
Hier bin ich verwurzelt. Hier kenne ich mich aus. Ich weiß, wie sich ein Gesicht verändert, wenn es zu erzählen beginnt. Ich erkenne feine Bewegungen, Stimmungen, kleine Wahrheiten. Und kleine Lügen. Manchmal reise ich von hier aus in andere Bereiche: in die Welt der Reportage oder Landschaft. Ich fahre aufs Meer hinaus, lasse mich treiben, sehe Neues – nur um dann zurückzukehren mit dem Gefühl, dass genau hier mein Platz ist.
Nicht, weil es hier schöner ist als anderswo. Sondern weil ich mich hier zugehörig fühle. Weil ich hier die Sprache verstehe. Die Gesichter, die Geschichten, das Ungesagte zwischen zwei Blicken. Die Porträtfotografie ist für mich kein Genre. Sie ist mein Lebensraum.
Und doch zieht es mich immer wieder hinaus. In die Straßen anderer Genres. Dorthin, wo das Leben in Bewegung ist. Dann nehme ich etwas mit – eine Art Mitbringsel – eine Erfahrung reicher. Während ich diese Zeilen schreibe, passieren unzählige Dinge gleichzeitig. Irgendwo springt ein Mensch über eine Pfütze. Ein Kind rennt durch einen Sonnenstrahl. Eine Frau schaut gedankenversunken aus einem Caféfenster auf die Straße. Und das sind nur drei von zigtausenden Momenten, die gerade geschehen – und gleich wieder verschwinden.
Ich weiß, dass ich sie nicht alle sehen kann.
Es sind zu viele. Zu flüchtig. Zu lebendig. Manche dauern nur einen Bruchteil einer Sekunde – und sind dann vorbei. Und trotzdem gibt es diese stille Sehnsucht, ein Teil davon zu sein. Nicht alles festhalten zu wollen, aber hinzusehen. Offen zu bleiben.
Vielleicht ist das die eigentliche Aufgabe der Fotografie: nicht die Welt vollständig zu erfassen, sondern aufmerksam zu bleiben für das, was wir sonst nicht sehen können. Für das, was passiert, wenn andere weggeschaut haben.
Und vielleicht geht es mir nicht einmal darum Bilder zu machen, sondern zu lernen achtsam zu sein und vorauszusehen.